„Mach hin, ich will anfangen! Los Futter rühren, bist hier nicht zum Ausruhen da!“ Wer sich mit Ralf Herdlitschke (Ernie) zum Angeln verabredet, muss eine große Tüte dabeihaben, denn man muss einiges „einstecken“! Um einen flotten, aber nie bös gemeinten Spruch ist Ralf nie verlegen. Wir haben uns im Spätherbst an der Berliner Havel, an der Freibrücke verabredet zum Bolo-Fischen. Die Havel ist in diesem Bereich kanalisiert und die Fische, in erster Linie Rotaugen, ziehen von den Havelseen in diesen Bereich.
„Hier geht im Herbst sie Post ab, richtig dicke Rotaugen! Mit der Bolo komme ich in die tiefere Rinne, wo die Fische stehen. Entscheidend ist, den Köder so zu präsentieren, das der Fisch ihn ohne Aufwand aufnehmen kann... und den Biss dann auch zu erkennen!“
Ralf packt zwei 7m Bolo-Ruten aus, eine mit 8g und die andere mit 12g Pose. „Die 8g ist für Rotaugen, die 12g für Brassen.“ Das Loten dauert etwas länger, Ralf schiebt die Pose beinahe zentimeterweise weiter. „Wolltest Du nicht angeln...?“ – „Ja klar, erst rumbummeln, aber beim Wichtigsten schnell-schnell machen wollen. Das Loten ist entscheidend, auch beim Bolo-Angeln!“ Dann erklärt Ralf worauf es ankommt: Bei der Rotaugenmontage muss das Vorfach soweit aufgelegt werden, das sich beim Verzögern der Haken maximal 3-5 cm über den Boden hebt. Bei der Brassenmontage werden die „Kratz-Schrote“ gerade soweit aufgelegt, das sie beim Verzögern nicht vom Boden abheben. (Bild der Montagen) Wenn die Brassen richtig anlaufen nutzt Ralf gern die 10%-Regel (10% vom Gesamtblei dürfen am Boden liegen) aus, kommt es aber auf "den einen" Bonusfisch an, nimmt er so wenig wie möglich Schrote. Ganz wichtig ist es, die Brassenmontage so „knapp“ wie möglich auszuloten, wer zu weit auflegt, hat kaum eine Chance die Bisse zu erkennen. Letztendlich ist das genaue und erfolgreiche Ausloten auch eine Sache der Erfahrung, Strömungsgeschwindigkeit, Wassertiefe und Bodenbeschaffenheit müssen richtig eingeschätzt werden. Am Laufverhalten der Pose erkennt Ralf sehr genau wie sich seine Montage am Boden verhält.
Dann geht es los, Ralf prüft noch mal das Futter, gibt als Köder Maden, Pinkys und Zuckmücken zu und formt 8 Pampelmusen-große Bälle. „Warum soll kleine Bälle machen, dauert doch viel länger...“ Dann wuchtet er die Bälle zielgenau per Unterhandwurf auf 25 m ! Schön wenn man groß gewachsen ist und jahrelang auf dem Bau arbeitet... „Die Futterbälle musst Du stromab einwerfen, je nach Strömung 2-5 m unterhalb vom Standplatz.“, erklärt er, „Erst dort kannst Du die Montage vernünftig führen kann. Wenn du geradeaus angelst, ziehst Du die Montage fast nur zu Dir heran, stromab ist der Winkel günstiger, da treibt die Montage diagonal über die Futterspur. Optimal ist es natürlich bei leichtem Wind stromauf. Um genau zu werfen, suche ich mir ein passendes Ziel.“ (siehe Bild...)
An den 18er Haken am 10er Vorfach kommen zunächst 2 Maden. Jetzt bringt Ralf die Xedion-Bolo auf Fahrt und die 8g-Montage rauscht 2m über den Futter-platz. „Ja ich fang immer etwas weiter draußen an, 1. gibt es immer Fische, die sich vor dem Futterplatz aufhalten und 2. läuft die Montage durch das Verzögern diagonal über die Futterspur. So kann man die gesamte Futterspur absuchen, denn je nachdem, wo man mit der Drift beginnt, kann man steuern, wo die Futterspur gekreuzt wird.“ Die Montage erreicht die Futterspur und Ralf beginnt zu „arbeiten“. Für ca. 10 Sekunden verzögert er die Montage, dann lässt er sie wieder laufen um kurz danach wieder zu verzögern – „Köder-Jojo“! Ca. 3m unterhalb der Futter-Einwurfstelle – Zuck!, Anhieb und das erste Rotauge ist auf dem Weg um von Ralf begrüßt zu werden. Mit 100g ein eher kleiner Fisch für die Havel um diese Jahreszeit. Aber es geht Schlag auf Schlag, nach einer halben Stunde treibt die Montage keinen halben Meter mehr, dann gibt es Kontakt und die Rotaugen werden immer schöner.
Durch die milde Witterung sind die Fische viel aktiver als sonst um diese Jahreszeit, die Fische stehen voll da und beißen. Ralf wechselt auf einen 14er Haken am 12er Vor-fach, bestückt mit 3 Maden und immer größere Rotaugen lernen das Fliegen... Alle 10 Minuten wird ein Ball nachgefüttert, „Normalerweise füttere ich um diese Jahreszeit gar nicht oder nur sehr selten nach, aber bei dem was hier los ist....“ Dann auf einmal massiver Widerstand, immer wieder stößt der Fisch zurück zum Grund, zu wild für einen Brassen und tatsächlich, ein schöner Barsch von 500g konnte dem Köder-Jojo nicht widerstehen. Da muss dann doch mal der Kescher ran.
„Was ist hier eigentlich mit Brassen?“ „Normalerweise sind sie um diese Zeit nicht mehr hier, aber wir können es ja mal probieren.“ Ralf wechselt auf die 12g Montage, diesmal verzögert er jedoch ständig. „Klar wäre ein leichter Wind stromauf besser, dann bring ich die Montage zum Stehen.“ Aber auch bei Windstille läuft die Montage sehr langsam und kreuzt die Futterspur fast rechtwinklig. Die Bisse werden aber sofort weniger, alle 3-4 Würfe ein Rotauge. Allerdings sind nach jedem Wurf die Maden ausgekaut, „das liegt an der anderen Montage, die Rotaugen nehmen den Köder kurz auf, lutschen ihn aus und spucken ihn wieder aus. Das sieht man an dieser Montage kaum. Ich probier mal was aus.“ Ralf beködert neu und packt zu den Maden noch 2 große Mückenlarven. Wenig später „klemmt sich die Pose an der Oberfläche kurz fest“, nur ein klein wenig Unterschied im Laufverhalten, Anhieb und das typische poch-poch eines Brassens in der Rutenspitze. Doch kurz unter der Oberfläche schlitzt der Haken aus, es sollte der einzige Brassenkontakt bleiben.